Heute ist der 17. Januar 2023 und damit der alljährliche Wirf-Deine-Jahresvorsätze-über-Bord-Tag.

Vorsätzlich keine Vorsätze

Abnehmen, mehr Sport machen, nicht mehr rauchen, weniger fernsehen und mehr lesen – Vorsätze für das neue Jahr sind oft ziemlich ambitioniert und fühlen sich manchmal sogar ein bisschen nach Quälerei an. Wer sich also bis zum heutigen Tag durchgequält hat, darf sich nun auf die Schulter klopfen und entscheiden, ob das alles wirklich weitergehen muss oder ob die guten Vorsätze nicht auch noch im nächsten Jahr angegangen werden können. Wer sich ohnehin schon früher aus dem Club der guten Vorsätze verabschiedet hat, darf spätestens heute getrost das schlechte Gewissen über Bord werfen und sich wieder besser fühlen.

Spaß beiseite. In diesem Artikel möchte ich der Frage nachgehen: Warum neigen Neujahrsvorsätze eigentlich so oft zum Scheitern und welche Alternativen gibt es zu den klassischen Neujahrsvorsätzen?

5 Gründe warum Neujahrsvorsätze zum Scheitern neigen

1) Mangelnder Fokus: Zu viele verschiedene Baustellen

Ins Fitness-Studio gehen, sich gesünder ernähren, eine neue Fremdsprache lernen, beruflich vorankommen und gleichzeitig mehr Zeit mit den Kindern verbringen – wenn die guten Vorsätze nicht nur zu viele an der Zahl sind, sondern auch noch in Konflikt zueinander stehen, wird die Umsetzung schwierig bis unmöglich.

Sich auf einige wenige – oder noch besser: auf eine einzige Baustelle – zu konzentrieren, ist weitaus erfolgsversprechender als zu vieles auf einmal zu wollen.

✅ Besser so… ⚠️ Statt so…
»Ich fokussiere mich auf die eine Sache.« »Ich mache das und das und das auch noch.«

2) Mangelnde Messbarkeit: Zu unkonkrete Definitionen

Mehr Sport machen, mehr lesen, weniger am Handy hängen – was bedeuten diese »mehr« und »weniger« überhaupt? Ohne konkrete Definition wird es schwierig zu überprüfen, ob die guten Vorsätze erfolgreich sind oder nicht. Es fehlt schlicht an Messbarkeit.

✅ Besser so… ⚠️ Statt so…
»Täglich 15 Minuten Yoga« »Mehr Sport machen«
»Wöchentlich mindestens ein Kapitel lesen« »Mehr lesen«
»Social-Media-Nutzung auf maximal eine Stunde pro Tag limitieren« »Weniger am Handy hängen«

3) Mangel an Realismus: Zu große Schritte

Wer vorher noch nie gejoggt ist, käme vermutlich nie auf die Idee, direkt bei einem Marathon mitzulaufen. Doch bei Neujahrsvorsätzen neigen wir leider oft dazu, viel zu große Schritte auf einmal machen zu wollen, was dann wenig überraschend zu Scheitern und Frustation führt.

Lieber in kleinen Schritten und langsam zum Ziel, anstatt losrennen, hinfallen und direkt wieder aufgeben.

✅ Besser so… ⚠️ Statt so…
»Ich bewege mich in meinem Bürojob zu wenig. Ab sofort möchte ich mir in der Mittagspause Zeit für einen Spaziergang im Park nehmen.« »Ich bewege mich in meinem Bürojob zu wenig. Ab sofort gehe ich täglich eine Stunde joggen.«
»Ich möchte wieder mehr lesen und nehme mir nun dafür 15 Minuten Zeit am Tag.« »Ich möchte wieder mehr lesen und nehme mir vor, dieses Jahr 12 Bücher zu lesen.«

4) Mangel an Identifikation: Kein eigenes »Wofür«

Beim Einkauf vor einem Zeitschriftenregal stehen zu bleiben, kann insbesondere um den Jahreswechsel herum Gefühle von Unzulänglichkeit erzeugen. Nur allzu leicht entsteht der Gedanke, auf den Zug von Diäten und sportlichen Leistungen aufspringen zu müssen.

»Mir täte es auch ganz gut, abzunehmen / gesünder zu leben / mich mehr zu bewegen / …«

Doch wenn wir uns etwas vornehmen, im Grunde aber kein eigenes »Wofür« dahinter steckt, wird es schwierig dranzubleiben. Solch ein »Wofür« kann sein:

  • Ein realer Leidensdruck – z.B. »Ich schaffe keine zwei Stockwerke mehr ohne in Raucherhusten zu verfallen.«
  • Ein Antrieb aus positiv bewerteten Gefühlen heraus – z.B. »Ich mag dieses Gefühl, das ich empfinde, nachdem ich Sport getrieben habe.«

»Weil man das eben so tut« – ist alles andere als ein guter Antrieb. Eine Veränderung, die nicht eigenmotiviert ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit relativ schnell scheitern. Ohne fehlende Identifikation geht die Motivation ziemlich sicher schon nach kurzer Zeit flöten.

✅ Besser so… ⚠️ Statt so…
»Mir ist das wichtig aus folgenden Gründen…« »Ich mache das, weil man das eben so tut.«
»Ich schaffe keine zwei Stockwerke mehr ohne in Raucherhusten zu verfallen. Das kann so nicht weitergehen.« »Rauchen ist ungesund, das sollte ich bleiben lassen.«
»Ich mag dieses Gefühl, das ich empfinde, nachdem ich Sport getrieben habe. Diesem Gefühl will ich wieder Raum in meinem Alltag geben.« »Ob das noch als Bikini-Figur durchgeht? Ich sollte mehr Sport machen.«

5) Mangelndes Fehlermanagement: Fehler als Scheitern bewerten

Dies ist meiner Meinung nach der entscheidendste Punkt, weshalb es an der Umsetzung der guten Vorsätze oftmals nach einer gewissen Zeit scheitert: Der Mangel an einem guten Umgang mit Fehlern.

Ganz egal wie unsere guten Vorsätze aussehen mögen – ob sie niedrigschwellig und gut umsetzbar oder doch viel zu überambitioniert sind – wenn wir über kein gutes Fehlermanagement verfügen, werden wir langfristig höchstwahrscheinlich an der Umsetzung scheitern.

Fehlermanagement: Ein plakatives Beispiel

»Immer wieder diese Verspannungen. Das kann so nicht weitergehen. Ab sofort will ich mir täglich Zeit für 15 Minuten leichtes Rückentraining nehmen.«

Ein hochmotivierter Start. 17 Tage am Stück durchgehalten. Und dann kommt das Leben dazwischen – sei es ein stressiger Arbeitstag, eine üble Erkältung, ein krankes Kind oder was auch immer das Leben manchmal eben so liefert. Die Erfolgslinie reißt ab. Das Vorhaben pausiert ein paar Tage und nun keimt einer der fiesesten Selbstsabotage-Gedanken überhaupt auf:

»Jetzt kann ich es auch ganz bleiben lassen…«

Failure is success in progress

»Jetzt kann ich es auch ganz bleiben lassen« – dieser Gedanke ist der Anfang vom Ende jeder Veränderung. Veränderungen sind selten leicht. Daher sind Fehler und Momente von Schwäche keine Ausnahme, sondern die Regel. Die Lernkurve ist eben keine Gerade. Doch nicht die Fehltritte und unser vermeintliches Versagen lässt uns scheitern, vielmehr unsere Bewertung darüber.

Wir können uns Selbstvorwürfe machen und frustriert das Handtuch werfen oder wir entscheiden uns dazu, unsere Fehler liebevoll anzunehmen und weiterzumachen.

✅ Besser so… ⚠️ Statt so…
»Das hat jetzt (heute) nicht geklappt. Was soll’s. Ich bleibe trotzdem weiter dran. Morgen ist ein neuer Tag.« »Das hat jetzt (heute) nicht geklappt. Jetzt kann ich es auch ganz bleiben lassen…«
»Ich wollte mit dem Rauchen aufhören und bin jetzt schwach geworden. Aber das bedeutet nicht, dass mein Vorhaben nun komplett gescheitert ist.« »Ich wollte mit dem Rauchen aufhören und bin jetzt schwach geworden. Jetzt ist es auch egal, wenn ich mir eine Packung Zigaretten kaufe.«
»Ich wollte abnehmen und habe jetzt doch die Schokolade gegessen. Doch das heißt nicht, dass ich mich jetzt dafür verteufeln muss.« »Ich wollte abnehmen und habe jetzt doch die Schokolade gegessen. Was soll’s, kann ich auch die ganze Tafel essen, bringt doch eh alles nichts.«

5 Alternativen zu klassischen Neujahrsvorsätzen

Ich möchte hier keinesfalls die klassischen guten Vorsätze schlechtreden. Neujahrsvorsätze mögen für viele Menschen den richtigen Antrieb erzeugen. Ich persönlich sympathisiere jedoch mehr mit folgenden fünf Alternativen:

1) Werte als Handlungs- und Entscheidungsgrundlage

Selbst wenn es uns nicht bewusst sein sollte, so tragen wir doch alle immer gewisse Werte im Hinterkopf mit uns herum. Manchmal spüren wir diese auch erst, wenn wir in einen Wertekonflikt geraten, beispielsweise weil unsere Handlungen im Kontrast zu unseren inneren Werten stehen, oder aber äußere Erwartungen mit unseren inneren Überzeugungen kollidieren.

Um solche unbewussten Schmerzen besser zu verstehen, ist es hilfreich, sich mit den persönlichen Werten bewusst auseinanderzusetzen. Die persönlichen Werte – und damit meine ich eine Handvoll ganz konkreter Begriffe, die stets gedanklich präsent sind – stellen außerdem eine wunderbare Grundlage für all unsere Handlungen und Entscheidungen dar. Sie begleiten uns im Alltag und dienen als Kompass, wenn es darum geht, kleine und große Entscheidungen zu fällen, Prioritäten zu setzen oder ins Handeln zu kommen. Werte sind die Leitplanken unserer Lebensreise, nach denen wir bewerten, ob wir im Reinen mit uns selbst sind und ob wir unser Leben als erfüllt betrachten.

Es kann sich also lohnen diese Leitplanken bewusst zu ergründen bzw. wenn bereits geschehen diese zum Jahreswechsel nochmals bewusst unter die Lupe zu nehmen.

Weiterführende Links zur Ergründung der eigenen Werte:

2) SMARTe Ziele

Neujahrsvorsätze zielen oftmals auf Veränderung von Verhaltensweisen bzw. Gewohnheiten ab. Eine alternative Herangehensweise ist es, sich nicht auf Gewohnheiten, sondern stattdessen auf Ziele zu fokussieren – mit dem Gedanken, dass sich durch Anvisieren der Ziele entsprechende Gewohnheiten von selbst einstellen.

Ziele setzen mit der SMART-Formel

Auch für Ziele gelten die oben beschriebenen fünf Fallstricke. Es kann also hilfreich sein, sich bei der Definition von Zielen an der SMART-Formel zu orientieren:

  • S-pezifisch
  • M-essbar
  • A-ttraktiv
  • R-ealistisch
  • T-erminiert

Weiterführender Artikel zum Thema Ziele:
Ziele setzen, aber richtig mit SMART- & WWW-Formel

3) Motto für das Jahr

Egal ob klassische Neujahrsvorsätze oder Ziele, egal wie gut (ausformuliert) diese sein mögen, zu viele sind definitiv des Guten zu viel. Ein Jahresmotto, bestehend aus einem bis einigen wenigen Worten, stellt eine gute Alternative dar, weil es einen festen Fokus für das Jahr setzt.

Beispiele:

  • Selbstfürsorge stärken
  • im Augenblick sein
  • Neuanfang wagen
  • mein erster Halbmarathon

Ähnlich wie bei den persönlichen Werten kann auch das Jahresmotto sowohl bei ganz banalen alltäglichen Handlungen als auch bei kleinen und großen Entscheidungen zu Rate gezogen werden und als Orientierung dienen.

4) Tadas statt Todos

Neujahrsvorsätze und Jahresziele können manchmal zu einer Art To-Do-Liste verkommen. Um dem entgegenzuwirken, kann es eine Option sein, für das neue Jahr statt auf solche Pseudo-Todos eher auf eine Liste von Tadas zu setzen.

Tadas, das können Highlights, Erlebnisse, Wünsche sein. Vielleicht ein Reiseziel, das immer wieder aufgeschoben wird. Vielleicht auch nur ein Mikro-Abenteuer oder Ausflugsziel in der Nähe, das hilft aus dem Trott auszusteigen, aber ohne Reminder im Alltagswahnsinn untergeht.

Beispiele:

  • eine Städtereise mit der besten Freundin
  • ein Wellness-Wochenende für sich ganz allein ohne Familie
  • ein Schnupperkurs im Salsatanz

5) Jahreswechsel zur bewussten Reflexion nutzen

Es müssen nicht immer Vorsätze oder Ziele sein. Den Jahreswechsel zur bewussten Reflexion zu nutzen und Erkenntnisse zu gewinnen, ohne direkt konkrete Vorsätze daraus zu ziehen, kann genauso wertvoll sein. Natürlich sollte Selbstreflexion keine Ausnahmeerscheinung sein, die nur zum Jahreswechsel stattfindet. Dennoch bieten sich spürbare Übergänge wie das Jahresende dafür besonders gut an.

Reflexionsmethode zum Jahresende

Mögliche Reflexionsfragen zum Jahresende:

Was waren meine größten Highlights? Was hat mir besonders viel Freude bereitet? Wofür war / bin ich dankbar?

Wobei ist mir ein Licht aufgegangen? Welche Aha-Momente oder Erkenntnisse hatte ich? Was habe ich über mich, die Welt oder das Leben gelernt?

Welche Wünsche habe ich für das neue Jahr? Worauf möchte ich im neuen Jahr meinen Fokus legen?

Auch interessant zum Thema Jahresreflexion:
YearCompass – Booklet zur Reflexion am Jahresende
(PDF zum Download in verschiedenen Sprachen)

Fazit

Damit Neujahrsvorsätze nicht schon nach wenigen Tagen verworfen werden, können folgende Stellschrauben helfen:

1) Limitierung

Um den Fokus nicht zu verlieren, hilft es die Anzahl der Neujahrsvorsätze auf einige wenige zu limitieren, eventuell sogar auf eine einzige Baustelle zu begrenzen.

2) Messbarkeit

Möglichst konkret sein und schwammige Formulierungen wie z.B. »mehr« oder »weniger« vermeiden.

3) Realismus

Eine gute Portion Realismus ist Pflicht. Lieber langsam kleine Schritte gehen, statt durch große Schritte Stillstand erliegen.

4) Identifikation

Identifikation schafft Motivation. Das »Wofür« hinter den Vorsätzen muss klar sein.

5) Fehlermanagement

Es besteht kein Zweifel, Fehler und Misserfolge werden eintreten. Die Devise ist: Trotzdem weitermachen! Die eigenen Fehler und Makel liebevoll annehmen zu lernen, ist weitaus sinnvoller als in Selbstvorwürfen zu versinken.

Alternativen zu Neujahrsvorsätzen

Es müssen nicht zwangsläufig Neujahrsvorsätze sein. Vorsätzlich keine Vorsätze zu machen ist genauso gut. Alternativen zu den klassischen Vorsätzen können sein:

  1. Persönliche Werte als Handlungs- und Entscheidungsgrundlage ergründen
  2. Ziele setzen und dadurch Gewohnheiten beeinflussen
  3. Ein Motto für das Jahr als persönlichen Fokus festlegen
  4. Tadas statt Todos planen
  5. Jahreswechsel zur bewussten Reflexion nutzen

Eine kleine Gedankenanregung zum Schluss

»I change best by feeling good, not by feeling bad.«
Dr. BJ Fogg, Autor von Die Tiny Habits®-Methode

Frau Lyoner


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