Hallo, ich bin Aljona. Du kennst mich vielleicht von meinen großen Hits wie »Ja, fast wie Aioli« und »Nein, das ist kein deutscher Name« oder dem berühmten Klassiker »Moment, ich buchstabiere es kurz«.

Mein Leben als Namensexot

In letzter Zeit habe ich ein kleines Faible für kuriose Aktionstage. Diese Woche ist die Celebrate your name week und wenn der heutige Tag der ungewöhnlichen Namen nicht zu mir passt, dann weiß ich auch nicht.

Seit jeher bin ich es gewohnt, dass die erste Reaktion, wenn ich mich namentlich vorstelle, ungefähr so ausfällt:

»Was, wie war das?«

Üblicherweise wiederhole ich meinen Namen dann, manchmal sogar mehrfach, woraufhin meist weitere Fragen folgen wie zum Beispiel:

»Aha, noch nie gehört. Wo kommt der her? Wie schreibt man das?«

Außerdem bin ich natürlich auch allerlei Verhunzungen Variationen meines Namens gewohnt wie beispielsweise:

  • Alonja
  • Aljonja
  • Ajoli
  • Aljonna

Die lästige Frage nach der Herkunft

Ja, mir ist bewusst, die Leute meinen das alles nicht böse. Trotzdem würde ich lügen, wenn ich behaupten würde, das ständige Erklären meines namentlichen Exotentums mache mir nichts aus. Ich gebe zu, ich finde es manchmal schon etwas lästig.

Insbesondere wenn es dabei gar nicht um meinen Namen, sondern um meine nicht-deutsche Herkunft geht. Dabei macht es für mich durchaus einen Unterschied, ob sich die Frage auf die Herkunft meines Namens bezieht:

»Wo kommt der Name her?«

Oder ob es um die Herkunft meiner Person geht:

»Wo kommst du her?«.

Letztere Frage mit meinem Wohnort zu beantworten, wäre zwar korrekt, aber leider nicht die Antwort, die in diesem Fall erwartet wird.

Mein ultimatives Highlight dieser Art von Unterhaltung war übrigens eine Situation, Ende der neunten Klasse, nachdem ich aufgrund eines Umzugs das Gymnasium wechselte. Bei der ersten Begegnung mit einer Lehrerin wurde ich aufgrund meines Namens, der offenbar eine entsprechende Erwartungshaltung bzgl. meiner Sprachkenntnisse weckte, auf Englisch zugetextet und allen Ernstes gefragt, ob ich der deutschen Sprache mächtig sei – und nein, sie war keine Englischlehrerin.

Leider war das kein einzigartiger Ausnahmefall. Während meiner Schulzeit erging es mir mehrmals so, dass ich Fragen und/oder Reaktionen seitens der Lehrer*innen als richtig unangenehm empfand. Klar, hätte ich damals ein größeres Selbstbewusstsein besessen, hätte es mich vermutlich nicht allzu sehr gestört, vor der ganzen Klasse (statt im Gespräch unter vier Augen) gefragt zu werden, wo ich denn herkäme und ob ich große Sprachschwierigkeiten hätte.

Ich war sechs Jahre alt, als ich mit meiner Mutter aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland auswanderte. Nach wenigen Monaten wurde ich eingeschult und war trotz meines Migrationshintergrunds immer eine Einserschülerin. Solche Kommentare hätten mir also eigentlich am Allerwertesten vorbeigehen können, doch diese Situationen stellten für mich jedes Mal eine Erschütterung meiner konstruierten Realität dar. Denn obwohl ich damals mit sechs Jahren alles andere als ein Kleinkind war, brachte ich es fertig, schon nach wenigen Monaten im neuen Land nicht nur meine Herkunft zu verleugnen, sondern auch meine Muttersprache zu verweigern. Gestrandet im Jemandsland eines Anderen, mimte ich das Kind ohne Heimat und Vergangenheit, aus Angst sonst nicht als gleichwertig akzeptiert zu werden. Leider hatte meine schön konstruierte Welt einen kleinen Haken, nämlich meinen Namen, der fast wie ein Brandzeichen zu wirken schien.

Es war, als lebte ich zwischen zwei Welten. Die eine war mir fremd geworden und in der anderen wurde ich als fremd wahrgenommen. Zumindest fühlte es sich so an.

Passpartout in keinen Rahmen. Ein Song von Umse.

Die Herkunft meines Pseudonyms

Wenn ich heutzutage so höre, welche Namen auf Spielplätzen gerufen werden, fühle ich mich ehrlich gesagt gar nicht mehr so exotisch. Außerdem entwickelt man im Laufe des Lebens eben so seine Strategien. Gerade wenn es um den eigenen Namen geht, hat man ja in der Regel reichlich Gelegenheit zur Übung. So kam ich letztendlich auch zu meinem Pseudonym Frau Lyoner, das mich nun schon ein gutes Jahrzehnt begleitet. Nach den immergleichen Fragen und Verwirrungen habe ich mir irgendwann angewöhnt, meinen Namen folgendermaßen zu erklären:

»Aljona – so wie Lyoner, nur mit einem A vorne.«

Folgt dann noch die Frage nach der Namensherkunft, schiebe ich mittlerweile gern den erklärenden Satz hinterher:

»Aljona ist einfach die weibliche Form von Aljoscha.«

Natürlich bleiben die Fragen nach meiner Herkunft bzw. der Herkunft meines Namens nach wie vor nicht aus. Zugegeben, aus verschiedenen Gründen sind das nicht meine liebsten Unterhaltungen, weshalb ich meistens meine üblichen Sätze herunterrattere und dann eher früher als später das Thema wechsle. Allerdings erschüttern solche Fragen im Gegensatz zu früher meine Welt nicht mehr. Alleine schon deshalb, weil ich diesem ganzen (Namens-)Herkunfts-Trara mittlerweile viel weniger Bedeutung beimesse als früher.

Ich weiß, wer ich bin – und wer ich bin, hat mehr mit dem Weg zu tun, der hinter mir liegt, als mit dem Startpunkt dieses Wegs.

Kleines Schmankerl zum Schluss

»Hi, ich bin Aljona – so wie Lyoner, nur mit einem A vorne.«

Unzählige Male habe ich diese Esels(wurst)brücke eingesetzt, wenn ich mich jemandem vorstellte. Doch das beste erste Kennenlernen dieser Art hatte ich erst vor etwa einem Jahr, als ich mich einem neuen Arbeitskollegen vorstellte und dieser ganz lässig erwiderte:

»Hi, ich bin Enis – so wie Penis, nur ohne P.«

Tja, deinen Namen suchst du dir eben nicht aus, aber es liegt bei dir, was du draus machst.

Frau Lyoner


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