Kürzlich staunte ich nicht schlecht, als ich erfuhr, dass das Wort Selbstfürsorge im Duden nicht existiert. Gleichzeitig ist das Wort Selbstliebe zwar auffindbar, wird jedoch als Synonym für Egoismus und Selbstsucht verwendet.
Warum Selbstfürsorge allerdings nicht egoistisch ist, sondern ein wichtiges Gegengewicht zur Fürsorglichkeit darstellt, möchte ich anhand des Modells des Werte- und Entwicklungsquadrats nach Schulz von Thun aufzeigen.
Das Werte- und Entwicklungsquadrat nach Schulz von Thun
Das Werte- und Entwicklungsquadrat nach Schulz von Thun geht davon aus, dass ein positiver Wert immer in Balance zu einem positiven Gegenwert (Schwestertugend) stehen muss, um nicht in ungesunde Übertreibung abzudriften.
So braucht Mut zum Beispiel Vorsicht, um nicht in gefährliche Leichtsinnigkeit auszuufern. Sparsamkeit und Großzügigkeit müssen in Balance stehen, um weder in Geiz noch in Verschwendung abzudriften. Ehrlichkeit ohne Sensibilität kann leicht zur brutalen Offenheit werden, zu viel Sensibilität wiederum Offenheit verhindern.
Die Entwicklungsrichtung zeigt sich in den Diagonalen. Um beispielsweise ungesunder Leichtsinnigkeit zu entfliehen, braucht es Vorsicht, Überängstlichkeit wiederum benötigt Mut.
Weiterführende Literatur: Friedemann Schulz von Thun – Miteinander reden 2
Der Grundgedanke dieses Modells ist übrigens auf Aristoteles zurückzuführen, wurde von Nicolai Hartmann weiterentwickelt, von Paul Helwig für die Psychologie übernommen und schließlich von Friedemann Schulz von Thun als Werte- und Entwicklungsquadrat der breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Selbstfürsorge im Gleichgewicht
Selbstfürsorge braucht Hilfsbereitschaft (bzw. Solidarität), um nicht in Egoismus zu münden, während Selbstfürsorge als Gegengewicht nötig ist, um selbstzerstörerische Aufopferung zu verhindern.
Oder um aus einem Text von Nora Imlau zu zitieren:
»Wer sich nicht gut um sich selbst kümmert, kann sich irgendwann um niemanden mehr kümmern.«
Selbstfürsorge kann viele Facetten haben
Selbstfürsorge kann bedeuten, dass…
… du dir Auszeiten zugestehst, um Energiereserven aufzutanken, selbst wenn dadurch manches liegenbleibt.
… du deine eigenen Bedürfnisse genauso ernst nimmst wie die Bedürfnisse anderer.
… du für dich einstehst und dir ein »Nein« erlaubst, wenn ein »Ja« gerade nicht zu deinem Energiehaushalt passt.
… du dir zugestehst, auch unproduktiv sein zu dürfen und etwas einfach nur aus Spaß und für dich selbst zu tun.
Weiterführende Leseempfehlungen
»Wie du es auch drehst und wendest, deine Energie ist begrenzt. Schon im Vorfeld mehr zu verplanen als du hast, macht dich nicht nur erschöpft, sondern auch frustriert und unglücklich.«
»Selbstfürsorge […] sollte nichts sein, dass du dir “verdienen” musst, weil du besonders ausgelaugt bist oder viel geleistet hast. […] Einen fürsorgenden Blick auf dich selbst zu haben, sollte vielmehr ein natürlicher und selbstverständlicher Teil von dir sein.«
»Du bist genau so wichtig wie die Menschen in deinem Umfeld und das Gleiche gilt auch für deine Bedürfnisse.«
claudiaketh.com – Sich abgrenzen von den Erwartungen anderer

—
Hat dir der Artikel gefallen? Dann teile ihn doch in deinen sozialen
Netzwerken oder schreibe mir eine
E-Mail.
Du möchtest keine neuen Artikel verpassen? Dann abonniere meinen Newsletter.
Newsletter abonnieren
Kommentare
Annabel
21. Februar 2021 | https://cheerupyourlife.de/Hallo Aljona,
das erstaunt mich jetzt aber auch, dass der Duden das Wort "Selbstfürsorge" nicht führt. Ich meine, da werden Bücher drüber geschrieben! Na ja, dafür gibt es nun die "Bösewichtin".
Du hast anhand des Werte- und Entwicklungsquadrats sehr schön verdeutlicht, wie wichtig die Balance ist. Ich kannte das Modell ebenfalls, hatte aber schon lange nicht mehr dran gedacht. Dabei ist es eine wertvolle Unterstützung, um sich bewusst zu machen, an welcher Stelle man in ein Ungleichgewicht geraten ist und wie man das wieder ausgleichen kann.
Ein zu viel von etwas schlägt immer ins Negative um. Fast egal, um was es sich handelt.
Zum Beispiel finde ich sehr entscheidend, dass der Liebe zu einem anderen Menschen immer die Selbstliebe gegenübersteht. Sonst kann es leicht passieren, dass es einen gibt, der sich unterwirft, während ein anderer eine Freundschaft oder Beziehung stark dominiert.
Die weiterführenden Links am Ende deines Beitrags finde ich außerdem sehr lesenswert, da kann man das Thema Selbstfürsorge wunderbar vertiefen.
Viele liebe Grüße
Annabel
post_id: '/2021/02/20/selbstfuersorge-ist-nicht-egoistisch'
Aljona
22. Februar 2021Hey Annabel,
vielen lieben Dank für deinen Kommentar! 🙂
Ich staunte ja neulich darüber, dass es die Worte "Moodboard" und "Selfmademan-/frau" in den Duden geschafft haben. Bei solchen Worten verstehe ich umso weniger, dass "Selbstfürsorge" nicht existiert.
Und ja, ich finde, du hast total recht, wenn du sagst: "Ein zu viel von etwas schlägt immer ins Negative um." Nicht umsonst heißt es: "Die Dosis macht das Gift."
Viele liebe Grüße
Aljona
post_id: '/2021/02/20/selbstfuersorge-ist-nicht-egoistisch'
Neuer Kommentar
Leider ist die Kommentarfunktion auf diesem Blog bis auf Weiteres deaktiviert. (Stand September 2024)