Pizza oder Pasta, Strand oder Berge, Geld oder Freizeit – »This or That« ist ein Spiel, das sich sowohl für’s Teambuilding als auch für einen lustigen Abend mit Familie oder Freund:innen eignet. Auch auf Social Media begegnet man diesem Konzept immer wieder, um sich mithilfe verschiedener Entweder-Oder-Vorlagen selbst zu beschreiben.

Das Prinzip ist simpel: Es gibt zwei Optionen, du darfst dich nur für eine der beiden entscheiden – welche wählst du?

Das Gleichnis von Buridans Esel

Auch im echten Leben stehen wir manchmal zwischen zwei Optionen: Gehen oder Bleiben, Verändern oder Bewahren, links oder rechts? Wenn wir beide Optionen als gleichwertig empfinden, fällt es schwer, eine Entscheidung zu treffen. Wir wägen ab, schwanken hin und her, verharren so in einem Schwebezustand, denn es scheint einfach keine richtige Entscheidung zu geben. In solchen Situationen sprechen wir von einem Dilemma.

Eine Metapher für diesen Zustand liefert der persische Philosoph Al-Ghazālī mit seinem Gleichnis namens Buridans Esel:

»Ein Esel steht zwischen zwei gleich großen und gleich weit entfernten Heuhaufen. Er verhungert schließlich, weil er sich nicht entscheiden kann, welchen er zuerst fressen soll.«
Al-Ghazālī (persischer Philosoph)

Wer keine Entscheidung trifft, wird von Entscheidungen getroffen.

Nicht nur Buridans Esel zeigt, dass ein langes Hinauszögern von Entscheidungen nicht unbedingt zu empfehlen ist. Denn keine Entscheidung zu treffen, ist letztlich auch eine Entscheidung. Zu langes Zögern kann zur Folge haben, dass sich Möglichkeiten in Luft auflösen oder jemand anderes für uns Entscheidungen trifft, die nicht unseren Vorstellungen entsprechen.

Auch wenn es darum geht, ob wir beim Status Quo bleiben oder uns für die Veränderung entscheiden, bedeutet das Hinauszögern stets eine implizite Entscheidung für den Status Quo und gegen die Veränderung.

Doch wie können wir uns aus einem Dilemma lösen?

Tetralemma statt Dilemma

Das Tetralemma ist ein Modell, das die Dualität von Dilemmata aufhebt und weitere Wahlmöglichkeiten und Perspektiven eröffnet. Es stammt ursprünglich aus der indischen Logik und wurde als Instrument für systemisches Coaching abgewandelt. Auf kreative Weise soll es neue Möglichkeitsräume und Lösungsoptionen aufzeigen.

Dabei geht es auch darum, sich von der reinen Vernunftsentscheidung zu lösen und die verschiedenen Möglichkeiten emotional zu ergründen. Wie fühlen sich die jeweiligen Positionen an? Und warum fällt mir die Entscheidung überhaupt so schwer?

Die vier Positionen im Tetralemma

Im Gegensatz zum Dilemma besteht das Tetralemma aus vier statt aus zwei Positionen:

Das Tetralemma – Vier Positionen statt zwei

Das Eine:

Option A

Das Andere:

Option B, als Gegenpol zu Option A

Beides:

Wie könnten die beiden Optionen miteinander vereint werden? Wie könnte ein Sowohl-als-Auch aussehen?

Keines von Beiden:

Was passiert, wenn beide Optionen ausgeschlossen werden? Wie könnte ein Weder-Noch aussehen? Gibt es weitere Lösungsoptionen, die weder mit Option A noch mit Option B vereinbar sind?

Anmerkung: Das Tetralemma besteht eigentlich sogar aus 4+1 Positionen. Die fünfte Position, die nicht im Bild wiederzufinden ist, beschreibt eine Meta-Position: All dies nicht und selbst das nicht.

Tetralemma – Ein Beispiel aus dem beruflichen Kontext

Option A:

Im sicheren, aber nicht ganz so erfüllenden Angestelltenverhältnis bleiben.

Option B:

Selbstständig machen mit einem Herzensthema.

Sowohl-Als-Auch:

Wochenstunden im Angestelltenverhältnis reduzieren und nebenberuflich selbstständig machen. Ein sicheres Angestelltenverhältnis finden, in dem das Herzensthema ausgelebt werden kann.

Weder-Noch:

Erfüllung aus einem anderen Bereich als dem Beruf ziehen. Sich bewusst machen, welche Bedürfnisse bei der Entscheidung im Konflikt stehen.

Tetralemma – Ein Beispiel aus dem privaten Kontext

Option A:

Langjährige Beziehung beenden.

Option B:

Langjährige Beziehung bewahren.

Sowohl-Als-Auch:

Die Beziehung zu einer offenen Beziehung umgestalten. Beziehung bewahren, aber getrennte Wohnräume etablieren. Auf anderem Wege mehr individuelle Freiräume schaffen, ohne die Beziehung zu beenden.

Weder-Noch:

Wie kann die Beziehung zu mir selbst verbessert werden? Worum geht es mir bei der Entscheidung wirklich?

Zur Bewertung von Entscheidungen

Die gefühlte Ausweglosigkeit eines Dilemmas hat seinen Ursprung darin, dass wir nicht nur glauben, es müsste eine richtige Option geben, sondern auch der Illusion erliegen, wir könnten im Vorfeld die Richtigkeit einer Entscheidung beurteilen. Doch egal, wie lange und intensiv wir Chancen und Risiken abwägen und zerdenken, in den allermeisten Fällen werden wir im Vorfeld nicht beurteilen können, welche Entscheidung die richtige ist. Das schaffen wir erst im Rückblick. Und stellen dann vielleicht sogar fest, dass vermeintlich schlechte Entscheidungen sich im Nachhinein als ziemlich wertvoll erwiesen haben.

Oftmals kommt es auch gar nicht so sehr darauf an, welche Entscheidung wir treffen, sondern dass wir überhaupt eine treffen. Sonst enden wir vielleicht wie Buridans Esel.

»Da das Leben nur rückblickend verstanden werden kann, aber nach vorne blickend gelebt werden muss, können wir keine richtigen oder falschen Entscheidungen treffen – immer nur Entscheidungen.«
aus dem Buch »Sieger erkennt man am Start - Verlierer auch« von Dieter Lange

Frau Lyoner


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